Auch bei sorgfältiger Planung eines Bauprojekts kann es dazu kommen, dass nicht alle vorher vereinbarten Leistungen termingerecht oder genau mit den genannten Details ausgeführt werden können. Die Gründe dafür können vielseitig sein. Wetter- oder lieferungsbedingte Verzögerungen, ortsabhängige technische Änderungen oder eine Anpassung der Mengen sind nur einige Beispiele, weshalb mit dem Bauherrn ein Nachtragsangebot vereinbart werden muss.
Man unterscheidet generell zwischen Nachträgen während des laufenden Bauauftrags und Nachträgen nach Projektabschluss bzw. Endabnahme. Die Bedingungen sind in den jeweiligen gesetzlichen Regelwerken definiert. Im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten Fragen rund um den Nachtrag.
Immer wenn es zu nachträglichen Änderungen am Bauvertrag kommt, muss ein Nachtrag erstellt werden. Je nach Art des Bauvertrags greifen dabei verschiedene Regelwerke. Im Wesentlichen unterscheidet man:
• Leistungsverträge: die häufigste Vertragsform bei Bauleistungen. In diesen werden alle Leistungen im Leistungsverzeichnis genau aufgeführt und dann in der Regel nach tatsächlichem Aufwand abgerechnet (=> Einheitspreisvertrag).
• Einheitspreisvertrag: immer dann sinnvoll, wenn die Bauleistung genau nach Einheiten definiert werden kann. Diese können sein: Menge, Maß, Stück, Gewicht. In der Einheit sind bereits alle anfallenden Kosten der Bauleistung enthalten.
• Pauschalpreisvertrag: übliche Vertragsform bei Bauträgern. Es wird ein schlüsselfertiger Preis vereinbart, zum Beispiel bei Fertighausherstellern. Das Risiko eines Nachtrags für beide Vertragspartner ist hoch.
• Stundenlohnverträge: normalerweise nur im Sanierungsbereich üblich. Diese Vertragsart schließt Nachträge aus und ist für schwer kalkulierbare Bauleistungen geeignet.
Im Allgemeinen wird der Bauleiter mit dem unternehmerseitigen Antrag auf Nachträge konfrontiert, da die zu erbringende Leistung umfangreicher oder anders ausfällt als zunächst geplant. Genauer gesagt, kann es eine Abweichung im Bauinhalt oder in den Bauumständen geben. Daher ist ein gut strukturiertes Nachtragsmanagement von ArchitektIn oder PlanerIn sehr wichtig. Auf diese Weise können schnell Entscheidungen direkt auf der Baustelle getroffen werden, um Verzögerungen zu vermeiden.
Ein Nachtrag ist immer dann erforderlich, wenn die tatsächliche Bauleistung vom Bausoll abweicht. Er beschreibt das Begehren des Bauausführenden auf eine Nachforderung oder Vergütungsanpassung, die sich an der gegenüber des Bauvertrags geänderten Situation orientiert.
Je nach Vertragsart sind Nachträge in der deutschen Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) bzw. bei Werkverträgen in Paragraph 632 BGB geregelt.
Während der Bauphase können unvorhergesehene Ereignisse seitens des Auftragsgebers, des Auftragsnehmers oder der äußeren Umstände eintreten. Typische Gründe für Nachträge durch den Auftraggeber sind:
- Nachträgliche Wünsche, Änderungen der Flächen, Nutzungen oder Materialien.
- Mangelhafte Mitwirkung bei der Bereitstellung von Genehmigungs- oder Ausführungsunterlagen, verspätete Freigabe von Planungs- und Bauleistungen, verspätete Abschlagszahlungen.
Typische Gründe für Nachträge durch den Auftragnehmer sind:
• Fehlkalkulation von Mengen oder Materialien.
• Unvollständige Leistungsbeschreibung.
• Fehlerhafte Ausschreibung.
• Falsche Kalkulation der technischen Nachweise.
• Falsche Kalkulation der Bauzeit.
Typische Gründe für Nachträge durch unabwendbare, unvorhersehbare Ereignisse:
• Witterungseinflüsse wie Unwetter, lange Kälteeinbrüche, Überschwemmungen.
• Höhere Gewalt wie Ausgangssperren, Lieferverzögerungen aufgrund internationaler Ereignisse, fehlerhafte Materialien oder Bauteile.
• Ausfall von Baufirmen durch Insolvenz.
• Plötzliche erhebliche Preissteigerungen am Markt.
Gerade der letzte Punkt hat in jüngster Vergangenheit zu einem starken Anstieg der Nachträge geführt. Viele Generalunternehmer und Bauträger, die mit festen Pauschalpreisen geworben haben, mussten erhebliche finanzielle Einbußen bis hin zur Insolvenz in Kauf nehmen. ArchitektInnen, IngenieurInnen und Baufirmen waren im Allgemeinen dank der VOB-Leistungsverträge weniger betroffen, die Mehrkosten können weitergegeben werden.
Ein VOB Nachtrag gibt sowohl dem Auftraggeber als auch dem Auftragnehmer die notwendige Rechtssicherheit, welche im Falle einer entsprechenden Anpassung der ursprünglichen Ausschreibung erforderlich ist. Aus der oben aufgeführten Liste wird bereits deutlich, dass ein Nachtrag in kaum einem Bauvorhaben unabwendbar ist, dazu sind die verschiedenen Faktoren zu komplex. Selbst wenn alles perfekt bis ins letzte Detail geplant wurde, steckt man weder in der Wettervorhersage noch in Änderungen der ökonomischen oder politischen Rahmenbedingungen durch globale Ereignisse, wie jüngst in den letzten drei Jahren.
Die VOB gliedert sich in die Teile A "Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen", B "Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen" und C "Allgemeine technische Bedingungen für Bauleistungen". Daher findet sich die Übersicht zu Nachträgen im Teil B. Folgende mögliche VOB Nachträge sind in der VOB Teil B in Paragraph 2 geregelt:
• Abweichungen von Mengenansätzen (Unterschreitung, Überschreitung)
• Entfallende Bauleistungen (Teilkündigung oder Eigenleistung)
• Besondere Leistungen (Zusatzleistungen, die nicht Nebenleistungen sind)
• Leistungsänderungen (Änderungen der Ausführung, beider Seiten)
• Zusätzliche Leistungen (entweder nachträglich oder zur Erfüllung notwendig)
• Preisanpassungen (bei Pauschalsummen oder Preisgleitklauseln)
Wenn AuftragnehmerInnen selbst einen Nachtrag beantragen müssen, ist es sehr wichtig, die Nachtragskalkulation so exakt wie möglich durchzuführen, um auf zusätzliche bzw. korrigierende Nachträge möglichst verzichten zu können. Auch resultierende Nebenkosten darf man nicht vergessen. Welche Kosten fallen darunter und müssen berücksichtigt werden?
• Materialkosten für die Mengenerweiterung oder -minderung
• Kosten bzw. Miete für zusätzliche Geräte oder Ausrüstung
• Kosten für Subunternehmer
• Arbeiterlöhne bzw. Gehälter
• Kosten für Anreise und Übernachtung
• Weitere Kosten, die zusätzlich anfallen
Auch vermeintlich geringfügige Kosten können in der Summe einen größeren Betrag ausmachen, daher sollten sie ebenfalls eingeschlossen werden. Aber es gibt in der Form der Kalkulation seit dem Urteil des BGH vom 08.08.2019 wesentliche Änderungen. Ziel ist, dass nicht mehr mit Hilfe von Nachträgen zusätzliche, unangemessene Gewinne erwirtschaftet werden. Daher sollen die tatsächlichen Mehrkosten ohne überproportionale Zuschläge veranschlagt werden, wobei das BGH-Urteil allerdings offen lässt, welche Prozentzahl genau als Grenze gilt. Immerhin sollte der Nachtrag so realistisch wie möglich kalkuliert werden.
Der Bauvertrag, also im Neubaubereich meistens der Leistungsvertrag, beschreibt detailliert das genaue Bausoll, das ein Auftragnehmer zu erfüllen hat. Kommt es zu Änderungen aufgrund oben dargestellter Ursachen, so muss auf Basis der Nachtragskalkulation ein Nachtragsangebot erstellt werden. Wie bereits erwähnt, gibt es Nachträge sowohl während als auch nach Beendigung der Bauleistung. In den meisten Fällen wird es sich dabei um VOB-Verträge in Form von Einzelpreisverträgen handeln. Seit der Reform des BGB im Jahre 2018 kann jetzt auch der Besteller nach Paragraph 650b Abs.1 eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs bzw. eine Änderung zu dessen Einreichung begehren.
Das Nachtragsangebot muss einen Nachweis der Auswirkungen auf die Preise auf Basis der durchgeführten Nachtragskalkulation enthalten. Falls sich Einheitspreise ändern sollten, muss eine Nachtragsvereinbarung zwischen den Parteien vereinbart werden.
Je umfangreicher AuftraggeberInnen in die Erstellung der Leistungsbeschreibung involviert sind, umso mehr gehen Fehler oder zu knapp kalkulierte Mengen zu ihren Lasten. Dies ist allerdings in erster Linie bei öffentlichen und gewerblichen AuftraggeberInnen der Fall. Im privaten Wohnungsbau ist der Spielraum für Nachträge durch Verantwortungsabwälzung auf den Auftraggeber in der Regel sehr stark begrenzt und an strenge Auflagen gebunden. Das bedeutet, dass der Auftragnehmer, egal ob es sich um Architektïnnen, IngenieurInnen oder Baufirmen handelt, ein erhöhtes vertragliches Risiko zu tragen hat. Daher ist eine sorgfältige Kalkulation der Ausschreibung mit Hilfe einer speziellen AVA Software sehr zu empfehlen.
Wenn ein Nachtragsangebot unumgänglich ist, muss es von beiden Seiten genau überprüft und genehmigt werden. Die beantragende Partei muss einen schriftlichen Antrag stellen, welcher detailliert den Grund darlegt. Danach wird der Nachtrag fester Bestandteil des existierenden Bauvertrags und als Ergänzung oder separater Anhang aufgenommen. Genau wie im ursprünglichen Bauvertrag müssen auch hier der genaue Umfang der Leistungen und die Fristen fixiert werden. Meistens wird sich durch zusätzliche Arbeiten die ursprüngliche Vertragslaufzeit verlängern.
Daher sollten einem Nachtrag immer ein Gespräch mit dem Auftragsgeber und eine gründliche Prüfung vorangehen, ob der Nachtrag unumgänglich ist. Für den Antragsteller ist eine nachvollziehbare Begründung und Dokumentation absolute Pflicht.
Ferdinand Witt-Dörring kommt aus Österreich, hat einen Master of Science in Innovation & Entrepreneurship und ist gelernter Tischler. Er hatte schon früh ein großes Interesse daran die Baubranche zu digitalisieren und wurde zum Mitgründer von Compa - eine AVA Software für ArchitektInnen und BauleiterInnen.