Echte Angebote statt Schätzwerte: Tipps für die Kostenschätzung von Christian Engel

Wann ist der richtige Zeitpunkt, für ein neues Projekt Angebote einzuholen? Christian Engel, Gründer von A-D-V-A Architekten, ist der Meinung: früher als die meisten denken. Seit knapp 10 Jahren arbeitet er im Spannungsfeld zwischen Architektur, Innenarchitektur und Design und deckt dabei das gesamte Spektrum des Wohnungsbaus – und gibt jetzt Tipps, wie ArchitektInnen möglichst realistische Kostenschätzungen erstellen.
Warum Architekt Christian Engel frühzeitig auf reale Angebote setzt – und was das für Baukosten und Bauherren bedeutet.
Baukosten realistisch planen: Warum echte Angebote in Leistungsphase 2 entscheidend sind
Matthäus: Viele Architekturbüros kalkulieren in der Vorplanung mit Kennwerten. Du gehst einen anderen Weg – warum?
Christian: Ich sehe oft, dass in der Vorplanung pauschal mit Quadratmeterpreisen oder Erfahrungswerten gearbeitet wird. Das ist nicht grundsätzlich falsch, aber ich rate dazu, frühzeitig konkrete Angebote einzuholen.
Fenster sind ein gutes Beispiel: Sie machen oft einen signifikanten Anteil der Baukosten aus, zumal die Unterschiede – etwa zwischen Kunststoff- und Holzfenstern – bis zu 40 Prozent betragen können. Für ein erstes Angebot reicht dann oft schon eine einfache Beschreibung der gewünschten Qualität, und man erhält meist präzise Angebote mit sehr nützlichen LV-Texten für die spätere Ausschreibung.
Matthäus: Und wie hilft das bei der Kostenschätzung?
Christian: Ganz einfach: Ein reales Angebot ersetzt eine theoretische Annahme. Dadurch wird die Kostenschätzung genauer und verlässlicher – für uns PlanerInnen und vor allem für BauherrInnen. Gerade in Zeiten stark schwankender Baupreise ist das Gold bzw. Geld wert.
Reale Angebote als Grundlage für präzise Kostenschätzungen
Matthäus: Und woher kriege ich auf die Schnelle ein reales Angebot?
Christian: Sobald der erste belastbare Entwurf steht, kannst du ihn zum Beispiel an ein Generalunternehmen (GU) oder einzelne Gewerke schicken. Das muss noch kein fertiges Leistungsverzeichnis sein – aber ausreichend, um ein Angebot zu bekommen, das aufzeigt, wo man preislich steht. Für das GU bzw. das Gewerk hat das ebenfalls Vorteile, denn es erhält natürlich die Chance, den Auftrag zu gewinnen (und kann Kapazitäten besser planen).
Matthäus: Und was bringt dieses Angebot konkret?
Christian: Es ist eine Art Plausibilitätsprüfung für unsere eigenen Kalkulationen. Wir vergleichen: Passt unsere Schätzung zum Markt? Haben wir etwas unterschätzt?
Matthäus: Und welche Auswirkungen hat eine realistische Kostenschätzung auf die weitere Kostenplanung und Budgetkontrolle?
Christian: Ohne eine solide Kostengrundlage wird es sehr schwierig, den Bauprozess wirtschaftlich zu steuern und das Budget im Griff zu behalten. Wenn wir von Anfang an mit belastbaren Zahlen arbeiten, lassen sich spätere Überraschungen und Nachforderungen minimieren. Das gibt sowohl uns PlanerInnen als auch den BauherrInnen Sicherheit.
Und ganz wichtig: Diese präzise Kostenverfolgung muss über alle Leistungsphasen konsequent fortgeführt werden, damit wir jederzeit den Überblick behalten und Plan- und Ist-Kosten gegenüberstellen können. Nur so bleibt das Projekt wirtschaftlich und transparent für alle Beteiligten.
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Herausforderungen bei der Kostenschätzung für technische Gewerke
Matthäus: Nun hattest du im Voraus schon erzählt, dass Kostenschätzung für technische Gewerke (KG 400) ein besonderer Fall ist. Wieso?
Christian: Die Kostenschätzung für die gesamte Haustechnik (KG 400) ist für uns ArchitektInnen schwer kalkulierbar – und formal auch nicht unsere Aufgabe. Auch bei kleineren Projekten arbeite ich deshalb gerne mit TGA-PlanerInnen zusammen, die auf Basis unserer Entwurfsplanung eine fundierte Kostenschätzung für die technische Gebäudeausrüstung erstellen. Und selbst wenn später kein vollständiger TGA-Plan beauftragt wird, ist die frühe Einbindung für die Kostensicherheit sinnvoll.
GU oder Einzelvergabe? Vor- und Nachteile im Überblick
Matthäus: Viele Architekten haben eine klare Präferenz, was die Vergabeform angeht. Wie stehst du dazu?
Christian: Mir ist es wichtig, offen mit den Bauherrinnen über beide Optionen zu sprechen – Einzelvergabe und Generalunternehmen. Beide Modelle haben Stärken und Schwächen, die zur jeweiligen Situation passen müssen.
Matthäus: Wo liegen die Unterschiede aus deiner Sicht?
Christian: Ein Generalunternehmen (GU) kann für ArchitektInnen eine deutliche Entlastung bedeuten: Er übernimmt die Koordination der Gewerke, das Schnittstellenmanagement und die Terminplanung. Das reduziert den Steuerungsaufwand im Projekt erheblich. Allerdings bringt die GU-Vergabe oft höhere Baukosten mit sich und bietet weniger Flexibilität bei kurzfristigen Änderungen.
Die Einzelvergabe dagegen ermöglicht größere Einflussnahme und in vielen Fällen eine wirtschaftlichere Umsetzung – vorausgesetzt, das Büro verfügt über ein belastbares Netzwerk an Fachfirmen und entsprechende Erfahrung in der Bauleitung. Der Aufwand für Koordination und Ausschreibung steigt, wird aber häufig durch ein höheres Architektenhonorar kompensiert.
Bauen mit Architekt oder Bauträger – was ist günstiger?
Matthäus: Viele denken, mit ArchitektInnen zu bauen sei viel teurer als mit einem Bauträger. Ist das so?
Christian: Das ist ein hartnäckiger Mythos. In Wahrheit ist das Bauen mit ArchitektInnen oft günstiger, vor allem bei der Einzelvergabe. Wir holen mehrere Angebote pro Gewerk ein, verhandeln Preise und vermeiden unnötige Aufschläge. Ein Bauträger plant, baut und verkauft – und schlägt natürlich seine Marge obendrauf. Die liegt oft bei 10–15 Prozent.
Matthäus: Was genau macht den Bauträger so teuer?
Christian: Wenn man bei einem Bauträger kauft, fällt neben der Marge, die der Bauträger erzielen will, noch die Grunderwerbssteuer an – und zwar auf das gesamte Paket, sprich: Grundstück und Bauleistung. In NRW sind das beispielsweise 6,5 Prozent, die bei einem sechsstelligen Betrag schnell fünfstellige Mehrkosten bedeuten. Wer dagegen mit einem Architekten baut und das Grundstück separat erwirbt, zahlt die Grunderwerbssteuer nur auf das Grundstück. Das wissen viele nicht – und es wird im Verkaufsgespräch oft nicht kommuniziert.
Was beschäftigt BauherrInnen in der Planungsphase am meisten?
Matthäus: Kosten sind wahrscheinlich das wichtigste Thema, das BauherrInnen in der Planungsphase beschäftigt, oder?
Christian: Absolut. Viele sind unsicher, wie sie realistische Budgets festlegen können und haben Angst vor unerwarteten Mehrkosten. Genau deshalb ist es wichtig, von Anfang an mit realen Zahlen zu arbeiten und frühzeitig Angebote einzuholen. Das schafft Vertrauen und gibt Bauherr:innen die Sicherheit, die sie brauchen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig hilft es, Fehlkalkulationen zu vermeiden und den Bauprozess reibungsloser zu gestalten. Dann gibt es später auch keine bösen Überraschungen.
Matthäus: Wie gestaltest du die Kommunikation mit Bauherren?
Christian: Transparenz und Offenheit sind das A und O, gerade bei Themen wie Kosten, Zeitplänen und möglichen Herausforderungen. Wichtig ist, BauherrInnen ehrlich und verständlich zu informieren, damit sie jederzeit wissen, wo sie stehen. Außerdem höre ich genau zu, um ihre Wünsche und Sorgen wirklich zu verstehen und darauf einzugehen. Das macht die Zusammenarbeit entspannter und erfolgreicher.
Tipps für ArchitektInnen, um Kostenfallen zu vermeiden
Matthäus: Welche Tipps hast du für PlanerInnen, um Kostenfallen zu vermeiden?
Christian: Mein wichtigster Tipp ist, von Anfang an belastbare Angebote einzuholen. Außerdem empfehle ich, die Kosten kontinuierlich zu verfolgen und regelmäßig mit dem Budget abzugleichen. Da ist eure AVA-Software auf jeden Fall sehr hilfreich – nicht nur, weil sie die Projektkosten entlang aller Leistungsphasen nebeneinander stellt, sondern auch miteinander verknüpft; was weniger fehleranfällig ist als Excel-Tabellen.
Offene und transparente Kommunikation mit allen Projektbeteiligten ist ebenso entscheidend, damit frühzeitig auf Änderungen oder Risiken reagiert werden kann. Und nicht zuletzt: Flexibilität einplanen, aber auch klare Prioritäten setzen.
Matthäus: Eine letzte und vielleicht etwas seltsame Frage, aber wie “schützt” du dich als Architekt vor etwaigen Risiken?
Christian: Als Architekt schütze ich mich durch eben diese gründliche Vorbereitung und transparente Kommunikation. Außerdem dokumentiere ich alle Absprachen und Änderungen sorgfältig und halte den BauherrInnen jederzeit auf dem Laufenden, um Missverständnisse zu vermeiden. Zudem setze ich auf eine enge Zusammenarbeit mit erfahrenen Fachfirmen und Generalunternehmen, um Qualität und Termine zu sichern. So stelle sicher, dass das Projekt im Rahmen von Budget und Zeitplan bleibt.
Matthäus: Dein abschließender Rat an PlanerInnen?
Christian: Holt früh Angebote ein, holt euch reale Zahlen – und scheut euch nicht, dafür Generalunternehmen anzufragen. Das schützt euch vor Fehlkalkulationen und gibt Sicherheit für die nächsten Planungsschritte. Gerade heute ist es beinahe fahrlässig, blind mit Standardwerten zu rechnen. Der Markt ist euer bester Ratgeber, ihr müsst ihn nur fragen.